Kupfer aus Peru: Ungereimtheiten in der Vorzeigemine Antamina
© Andina/Vidal Tarqui
© Andina/Vidal Tarqui

Kupfer aus Peru: Ungereimtheiten in der Vorzeigemine Antamina

In der Kampagne zur Präsidentschaftswahl 2021 hatte Pedro Castillo viele Versprechungen zum Bergbau gemacht, sogar dessen Verstaatlichung erwogen, wenn er nicht dem Volk diene. In seiner jetzigen Politik dagegen öffnet er den Bergbau für ausländische Investitionen und lässt „übermäßige“ Umweltschutzregelungen gar entfallen. Auch eine angedachte Steuerreform mit einer Abschöpfung von Sondergewinnen der Bergbaukonzerne durch gestiegene Preise für Erze und Mineralien ist vom Tisch. Diese hatte sein erster Finanzminister, Pedro Francke, als wichtigste Säule eines reformierten Finanzierungs- und Verteilungsmodells des peruanischen Staates angesehen. Der aktuelle Finanzminister, Kurt Burneo, verkündete kürzlich, für die Erschließung neuer Lagerstätten werde die vorübergehende Aufhebung der Mehrwertsteuer für Explorationsarbeiten – eine Pandemie-Ausnahmregelung –, um zwei weitere Jahre verlängert.

Unternehmen üben Druck auf die Regierung aus

Peru erlebt derzeit eine aggressive Kampagne des Unternehmerverbandes CONFIEP, um die Regierung von Präsident Pedro Castillo unter Druck zu setzen.  Ziel der Unternehmerkampagne ist es, die erteilte Bewilligung für die Wasserrechte beim Bergbauprojekt Quellaveco (Moquegua – Südperu) aufrechtzuerhalten, die Forderungen der anliegenden Gemeinden zurückzuweisen und damit einen potenziellen Präzedenzfall für ähnliche Vorhaben zu verhindern. Quellaveco ist eines der grössten Kupfervorkommen Perus und sein Abbau soll noch dieses Jahr beginnen.

Doch die Bewohner des Valle Tambo lehnen die Entscheidung der Wasserbehörde ANA ab, 22 Millionen Kubikmeter Wasser der Flüsse Titiri und Vizcachas für die Operationen der Kupfermine abzuzweigen, denn sie bilden die wichtigsten Zubringer des Río Tambo des gleichnamigen Tals. Dieses ist für die landwirtschaftliche Produktion Arequipas von großer Bedeutung; so stammen z.B. 25 Prozent des peruanischen Knoblauchs aus dem Tal, das bereits jetzt in der Trockenzeit unter erheblichem Wassermangel leidet. Nach Wochen wachsender Proteste in der Region hatte Castillo Anfang Oktober eine Gruppe bäuerlicher Vertreter*innen getroffen, die im Anschluss ankündigten, die Entscheidung der Wasserbehörde werde von einer technischen Kommission überprüft und eventuell rückgängig gemacht. CONFIEP (SNMPE) haben daraufhin in den vergangenen Tagen wiederholt Anzeigen in Printmedien geschaltet, in denen der Regierung vorgeworfen wird, die Investitionssicherheit des Landes aufs Spiel zu setzen.

Antamina – eine Vorzeigemine?

Während Quellaveco erst noch seinen Betrieb aufnehmen soll, operiert das Kupferabbauprojekt Antamina im nordperuanischen Departament Ancash bereits seit 2001, also seit über 20 Jahren. Das Unternehmen Antamina, mit 20 Prozent Anteil an der Gesamtförderung des Landes derzeit der größte Kupferproduzent mit der gleichnamigen Mine, bewirbt sich als erfolgreiches Beispiel für Nachhaltigkeit, ja sogar als praktizierendes Unternehmen eines „grünen“ Bergbaus. So soll bis 2030 der komplette Wasserverbrauch der Mine, einer der zehn größten Kupferabbaustätten der Welt, in einem Kreislaufsystem wiederverwendet werden und auf keine externen Ressourcen zurückgreifen, außer auf Regenwasser.

Dem Konsortium, bei dem Unternehmen aus vier Kontinenten die Anteile halten (BHP Billiton/Australien 33,75%, Glencore/Schweiz 33,75%; Teck/Kanada 22,5%, Mitsubishi/Japan 10%), ist viel daran gelegen, solche „Erfolge“ zu feiern und die Chronik an Protesten, die den Abbau seit der Eröffnung im Mai 2001 begleiten, herunterzuspielen.

Die letzten größeren Demonstrationen im Oktober 2021 richteten sich sowohl gegen Umweltschäden als auch gegen die Austrocknung von Lagunen in der Nähe der Gemeinschaft Aquia, die sich in der Nachbarschaft des auf 4.300 Meter Höhe gelegenen Tagebaus befindet. Die Bewohner*innen beklagen, dass die Mine das Gelände der Campesino-Gemeinschaft als Müllhalde missbraucht und dass die teils unterirdischen Förderrohre, die in ihrem Territorium verlegt wurden, um die Mineralien zur Küste zu befördern, das Grundwasser haben versiegen lassen und bereits kleinere Lagunen ausgetrocknet sind. Zeitgleich protestierten hunderte Bürger des ehemals florierenden Fischereihafens Huarmey gegen die Minengesellschaft. Mitten in der ruhig gelegenen, weil von Bergausläufern geschützten und tiefen Bucht des Küstenortes, endet die 304 Kilometer lange Pipeline des Fördersystems, wo die Erze in die Tanker gepumpt werden. Auch hier beklagen die Einwohner*innen, dass seit dem Bau des Rohstoff-Terminals Anfang der 2000er der Fischfang, von dem hunderte Menschen lebten, dramatisch zurückgegangen sei, dafür aber Haut- und Atemwegserkrankungen rapide zugenommen hätten.

Vor einigen Monaten hat nun das Unternehmen bei der staatlichen Kontrollbehörde für Umweltaspekte (Servicio Nacional de Certificación Ambiental – SENACE) die Modifizierung der Umweltverträglichkeitsstudie (Modificatoria del Estudio de Impacto Ambiental – MEIA) eingereicht, um ab 2036 statt der aktuellen 175.000 Tonnen Mineralien 208.000 Tonnen täglich verarbeiten zu können. Fachleute des bergbaukritischen Netzwerkes Red Muqui haben in einer Stellungnahme, in welcher sie den Zertifizierungsantrag des Unternehmens hinterfragen, auf einige der damit verbundenen Veränderungen hingewiesen. So wird der Tagebau um 25 Prozent erweitert und um 150 Meter vertieft. Die daraus resultierenden Schutthalden wachsen um 30 Prozent. Vor allem aber wächst der Umfang an Altlasten, denn die Auffangbecken müssen zusätzlich 1,53 Milliarden Tonnen schwermetallhaltiges und anderes giftiges Material einlagern.

 Nur wenige Menschen außerhalb des Dorfes Challhuayaco im Bezirk San Marcos in der Ancash-Provinz Huari wissen, dass eben dieses Projekt, das als Musterbeispiel für „nachhhaltigen” Bergbau beworben wird und sich mit dem Zertifikat für Integriertes Managementsystem (IMS) des TÜV Rheinland schmückt, von den Bewohnern der Region bereits jetzt für das Verschwinden von vier Gewässern verantwortlich gemacht wird. Die Lagunen Antamina, Challhuas, Huascacocha und Chaquicocha waren mehr als nur Wasserquellen für die Bevölkerung. Ihr Verschwinden ist auch ein Beispiel für die irreversiblen Auswirkungen, die das Unternehmen auf die Umwelt hat.

Auswirkungen auf die Wasserressourcen

Antamina behauptet in der nun präsentierten Studie, dass das hydrogeologische System der Mine nicht mit den oberirdischen Wasserläufen verbunden ist, weshalb die vorgeschlagenen Änderungen keine Auswirkungen auf die umliegenden Gewässer haben. Diese  stünden ausschließlich mit lokalen Wasserkreisläufen in Verbindung, auf die der Betrieb der Minekeinen Einfluss habe. Darüber hinaus behauptet das Unternehmen, ohne Beweise dafür vorzulegen, dass das hydrogeologische System nicht mit den umliegenden Gemeinden verbunden sei, . Die Behauptung, dass es keine Verbindung zwischen den Wasserkreisläufen gebe, steht im Widerspruch zu den Erkenntnissen der Gemeinden, die das oben erwähnte Verschwinden der vier Lagunen beobachtet haben. Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit den Auswirkungen auf den Wasserverbrauch ist der Anstieg der Mineralienverarbeitung um fast 20 Prozent. Dies führt zu einem erhöhten Wasserverbrauch. Die MEIA lässt jedoch die Frage offen, wie groß der Wasserfußabdruck ist, d.h. die Wassermenge, die für die Produktion einer Tonne Kupferkonzentrat und der anderen Mineralien benötigt wird.

Die Expert*innen von Red Muqui sind der Meinung, dass die Verfasser der MEIA aus einer ökosystemischen und ganzheitlichen Sichtweise heraus anerkennen sollten, dass die Ausweitung des Betriebs den Oberlauf des Beckens erheblich und irreversibel verändern wird. Daher ist eine umfassende und ökosystemische Wasserbilanz erforderlich, die eine detaillierte hydrologische Analyse enthält, welche die Anfälligkeit des Projektgebiets berücksichtigt, zumal es sich hierbei um ein Quellgebiet handelt. Ganz zu schweigen davon, dass bei der Modifizierung der Umweltverträglichkeitsstudie die künftigen Auswirkungen des Klimawandels auf die Verfügbarkeit von Wasserressourcen nicht berücksichtigt wurden.

Weitere Kritikpunkte

Im Hafen Huarmey endet die Mineral-Pipeline von Antamina (© Marcelo Henriquez Kries)

Weitere Risiken sind mit möglichen Brüchen der Pipeline verbunden, die die Erzproduktion aus den Anden zum Hafen Punta Lobitos in Huarmey transportiert. Wie damals,im Juli 2021, als   eine Ladung auf Ackerland auslief und bei 111 Dorfbewohner*innen Vergiftungserscheinungen hervorrief. Das Unternehmen hat nicht klargestellt, welche neuen Maßnahmen zur Schadensbegrenzung und für unvorhergesehene Ereignisse angesichts des erhöhten Transportaufkommens und der damit verbundenen Risiken ergriffen werden sollen.

Pläne zur Verhütung von Naturkatastrophen sind ebenfalls unbekannt. Die Forscher*innen von Red Muqui erinnern daran, dass die Cordillera Blanca nach Angaben des Instituts für Geologie, Bergbau und Metallurgie (INGEMMET) ein Gebiet mit wiederkehrenden Ereignissen wie Erdrutschen, Oberflächenerosion, Steinschlägen und Lawinen ist. Auch wird in der MEIA nicht geklärt, wie die Risiken minimiert und die Schäden durch Erdbeben verringert werden können. Wie z.B. jenes im Jahr 1970, das mit einer Stärke 7,9 auf der Richterskala einen Erdrutsch auslöste, bei dem große Mengen Schnee und Gletschermaterial den Fluss Shacsa hinunterströmten. Bei dieser Gelegenheit erreichten die gewaltigen Mengen an Material, die der Strom mit sich führte, Yungay und begruben die Stadt und ihre Bewohner*innen.

Für das Unternehmen gibt es auch keine erwähnenswerten Auswirkungen des Feinstaubs in den Emissionen des Bergbauunternehmens auf die Bevölkerung in der Umgebung von Antamina. Die Einwohner*innen von Juprog, Chipta und anderen Orten sind jedoch sehr besorgt über die Zunahme dieses Ausstoßes, der sich direkt auf Menschen, Ernten, Tiere und Land auswirkt. Die eingereichte MEIA erwähnt jedoch nicht einmal bei der Bewertung der kumulativen Auswirkungen den Bericht des Nationalen Zentrums für Gesundheit und Umweltschutz am Arbeitsplatz (CENSOPAS) aus dem Jahr 2006, der Gesundheitsrisiken durch Schwermetalle und andere toxische Stoffe sowohl für Kinder als auch für Erwachsene feststellt.

Die Bevölkerung erhält kaum Information

Schließlich kommen die Sachverständigen von Red Muqui zu dem Schluss, dass das Unternehmen bei der Ausarbeitung der MEIA nicht gewährleistet habe, dass die im Einflussbereich lebende Bevölkerung Zugang zur Information, Beteiligung und Entscheidungsfindung erhält. Die durchgeführten Partizipationsverfahren garantierten also nicht die Vertretung oder Meinung der Menschen und Dörfer im Einflussbereich. Das Unternehmen solle daher die Beteiligungsverfahren so gestalten, dass sie den soziokulturellen Bedingungen der einzelnen Gemeinden und Menschen entsprechen.

SENACE hat jetzt das Wort

Mängel in den Umweltverträglichkeitsprüfungen, unklare Pläne für das Schadensmanagement und die Risikominderung sowie fragwürdige Mechanismen für die Bürgerbeteiligung lassen Zweifel aufkommen an der Tauglichkeit einer Studie zur Erlangung einer Umweltzertifizierung und damit zur Ausweitung der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens mit angeblich vorbildlichem sozialem und ökologischem Management. Es ist jedoch zu hoffen, dass die Umweltbehörde SENACE die von den sozialen Organisationen und den betroffenen Gemeinschaften gemachten und von Red Muqui gesammelten Beobachtungen berücksichtigen wird.


Marcelo Henriquez Kries

Marcelo Henriquez Kries ist Journalist und arbeitet derzeit als Fachkraft von Brot für die Welt im Kommunikationsteam von Red Muqui.