Esmeralda Laroto hat den weiten Weg von Espinar nach Brüssel gemacht, um von ihren Erfahrungen mit der Mine zu berichten. (© Kampagne “Espinar kann nicht warten”)

Was zwei Frauen aus der Bergbauregion Espinar den EU-Parlamentarier*innen in Brüssel zu sagen haben

Mitte Juni reisten Esmeralda Larota und Karem Luque im Rahmen der Kampagne „Espinar kann nicht warten – Für ein wirksames Europäisches Lieferkettengesetz” nach Europa. Sie traten an vielen Orten in Belgien und Großbritannien öffentlich auf, um ihre Erfahrungen mit den Auswirkungen des Bergbaus auf die Menschenrechte, die Kultur, die Umwelt, die Rechte indigener Frauen und die Natur zu teilen. Die in Espinar tätige Tintaya-Antapaccay-Mine, die seit 2013 von dem anglo-schweizerischen Bergbaugiganten Glencore betrieben wird, steht exemplarisch für die seit Jahrzehnten andauernden sozialen Konflikte zwischen der lokalen Bevölkerung und den Bergbauunternehmen im Andenraum.

Esmeralda Larota ist etwas über 30 Jahre alt und lebt mit ihren Eltern auf einem kleinen Hof in unmittelbarer Nähe der Kupfermine. Sie ist Teil einer lokalen Organisation von Frauen, die sich für den Erhalt ihrer indigenen Territorien einsetzen. Karem Luque ist Biologin und arbeitet bei der Nichtregierungsorganisation „Derechos Humanos Sin Fronteras“ mit Sitz in Cusco, wo sie zahlreiche vom Rohstoffabbau betroffene Gemeinden in Südperu begleitet. Die spezifischen Probleme und Risiken, die der Bergbau für die Menschen vor Ort mit sich bringt, sind ausführlich in mehreren Testimonials dargestellt, die im Rahmen der Kampagne „Espinar kann nicht warten – Für ein wirksames Europäisches Lieferkettengesetz” verbreitet wurden und einen guten Einblick in die Thematik geben.

Lobbygespräche und Austausch in Brüssel und London

Ziel der Delegationsreise war es, die Gesprächspartner*innen – darunter EU-Parlamentarier*innen sowie Vertreter*innen des Europäischen Auswärtigen Dienstes – zu sensibilisieren und aufzuzeigen, dass die Tätigkeiten von europäischen Unternehmen in Peru gravierende Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschenrechte vor Ort haben. Hierbei sind die Wechselbeziehungen zwischen Europa und Peru vielseitig: es sind zum Teil Unternehmen mit Sitz in Europa, die im Andenraum Rohstoffe abbauen, europäische Banken finanzieren diese Tätigkeiten (mit) und die Europäische Union hat mit Peru ein Freihandelsabkommen geschlossen, das unter anderem den Import von Kupfer erleichtert. Gespräche fanden auch mit dem Unternehmerverband International Council on Mining and Metals (“ICMM”) statt, bei dem auch Glencore Mitglied ist. Dieser bemüht sich in zahlreichen Initiativen und Programmen darum, dass Bergbau und Metallverarbeitung ihren umwelt- und sozialverträglichen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung tragen.

Die Aktivistinnen nutzten die Reise auch, um sich mit europäischen zivilgesellschaftlichen Organisationen auszutauschen und besser zu vernetzen. In Großbritannien waren die Peru Support Group und die Catholic Agency for Overseas Development (CAFOD) an der Organisation der Rundreise beteiligt. Großbritannien als Zielland wurde ausgewählt, da es ein großer Bergbauinvestor in Peru ist. Investoren, einschließlich Pensionsfonds, müssen Verantwortung tragen, können aber auch Druck auf Unternehmen ausüben, die Menschenleben und die Umwelt gefährden. London ist das internationale Finanzzentrum für den Handel mit Mineralien und die Londoner Metallbörse könnte Unternehmen, die sich nicht verantwortungsvoll verhalten, die Zulassung verweigern.

Hoffnung auf Entschädigung durch das geplante Europäische Lieferkettengesetz

Vor diesem Hintergrund fordern die Aktivistinnen aus Peru, dass sowohl die Unternehmen als auch die Investoren in Europa ihre Verantwortung als globale Akteure in Bezug auf Umweltschutz und Menschenrechte anerkennen und ihre Tätigkeiten entsprechend ausrichten. Esmeralda Larota und Karem Luque sind keine Bergbaugegnerinnen, aber sie machen deutlich, dass weder die Unternehmen noch der peruanische Staat genug unternehmen, um ihre Rechte zu schützen. Ein zentrales Werkzeug für den besseren Schutz ihrer Rechte erhoffen sich die Betroffrenen vom Europäischen Lieferkettengesetz, offiziell die EU-Direktive für Konzernverantwortung. Sie soll bewirken, dass global tätige Konzerne mit Sitz in der EU auch im Globalen Süden ihrer Verantwortung für Umweltschutz und Menschenrechte nachkommen. Anders ausgedrückt verpflichtet sie Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten entlang ihrer gesamten Lieferketten. Für Betroffene wie Esmeralda Larota, die selbst erhöhte Schwermetallkonzentration in ihrem Blut hat, ist eine Klagemöglichkeit auf Entschädigung und Wiedergutmachung vorgesehen. Vorbild für diesen Gesetzentwurf ist das britische Anti-Bestechungsgesetz aus dem Jahr 2010, das kürzlich in zwei Fällen gegen Glencore angewandt wurde. Das Unternehmen bekannte sich vor einem britischen Gericht der Bestechung in fünf afrikanischen Ländern schuldig. Zuvor war es von einem US-Gericht wegen Bestechung, Korruption und Preisabsprachen in sieben Ländern zu einer Rekordstrafe in Höhe von 1,1 Milliarden Dollar verurteilt worden.

Doch die Wirksamkeit des geplanten EU-Gesetzes hängt von den Details ab, die derzeit in Europa verhandelt werden. Seit der Delegationsreise der beiden Peruanerinnen ist die Debatte um den im Februar 2022 vorgelegten Gesetzentwurf nicht verstummt. „Justice is Everybody’s Business“ ist Leitgedanke und Ziel von über 100 Organisationen weltweit, die ab Anfang September 2022 eine europaweite Kampagne zum Schutz von Mensch und Umwelt in den globalen Lieferketten starten werden.


Anna Nunenmann, Koordinationsteam Kampagne Bergbau Peru