„Heute ist das öffentliche Bewusstsein zur Bergbau-Problematik viel größer als vor 20 Jahren“
Übergabe einer Petition zum Lieferkettengesetz 2022

„Heute ist das öffentliche Bewusstsein zur Bergbau-Problematik viel größer als vor 20 Jahren“

Seit über 20 Jahren setzt sich die „Kampagne Bergbau Peru“ dafür ein, den Bergbau verantwortungsvoller zu gestalten, um die negativen Auswirkungen auf Menschen und Umwelt möglichst zu vermeiden. Ein Interview mit der Kampagnen-Koordinatorin Silvia und Anna, Mitglied des ehrenamtlichen Koordinationsteams.

In welchem Kontext bzw. aus welcher Notwendigkeit heraus wurde damals die Kampagne Bergbau Peru ins Leben gerufen?

Ende 2003 taten sich auf Grund der akuten Probleme im Zusammenhang mit dem Yanacocha-Bergwerk in Cajamarca verschiedene kirchliche Gruppen in Deutschland zusammen, um Kampagnenarbeit zu diesem Thema zu leisten. Dabei handelte es sich zuerst um ehrenamtlich tätige Partnerschafts-Gruppen von deutschen Diözesen, die Projekte in der Provinz Cajamarca hatten. Danach kamen ziemlich schnell größere kirchliche Träger hinzu, die finanzielle Unterstützung boten – unter anderem einige (Erz-)Bistümer, aber auch große Organisationen wie Misereor und Caritas international.

Die Gruppen und Organisationen in Peru, die damals mit den deutschen Diözesen zusammenarbeiteten, waren mehrheitlich nicht aufs Thema Bergbau fokussiert, sondern arbeiteten in anderen Bereichen wie Straßenkinder-, Fairtrade- oder Schulprojekten. Doch auf die eine oder andere Weise waren alle von der Bergbau-Problematik betroffen. So taten sie sich zusammen, und mit der Zeit kamen sowohl in Peru als auch in Deutschland immer mehr Organisationen und Gruppen dazu.

Dies war wichtig, weil bald klar wurde, dass es nicht reicht, das Problem mit einer einmaligen Kampagne anzugehen, sondern dass ein langfristiges Engagement nötig ist. Und zwar nicht nur, um akute Hilfe vor Ort zu leisten, sondern vor allem auch, um Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland zu machen

Wie hat sich das Selbstverständnis und die Arbeit dieses Netzwerks im Laufe der Zeit verändert?

Wir nennen uns zwar immer noch Kampagne, aber eigentlich ist es eher ein Netzwerk, das auf partnerschaftlichen Beziehungen zu Peru aufbaut, die es teilweise schon länger gibt als die Kampagne selbst.

Anfangs standen eher die Partner in Peru im Fokus, die mit den Auswirkungen des Bergbaus konfrontiert sind. Doch inzwischen geht die Arbeit sowohl in Peru als auch in Deutschland weit über einzelne soziale Gruppen heraus und hat mehr das große Ganze im Blick. Gerade auch im Zusammenhang mit der Energiewende und den erneuerbaren Energien. So ist einer unserer Schwerpunkte die Lobby- und Vernetzungsarbeit, und wir sind Teil diverser Netzwerke in Peru und in Deutschland, zum Beispiel der AK Rohstoffe und dem Advocacy-Network EU-LAT.

Auch wenn wir nicht die personellen Kapazitäten haben, um intensive Lobbyarbeit zu machen und ständig im Austausch mit politischen Entscheidungsträger*innen zu sein, tragen wir doch unseren Teil bei. Einerseits unterstützen wir Prozesse, die vor Ort in Peru laufen und schauen, wie wir sie von Deutschland aus unterstützen können, und anderseits bringen wir in den deutschen Netzwerken die Peru-Perspektive und die Bergbau-Perspektive ein.

Ein konkretes Beispiel ist die Lobbyarbeit im Zusammenhang mit dem großen deutschen Kupferimporteur Aurubis, der auch Kupfer aus Peru verarbeitet, aber keine Transparenz darüber herstellt, aus welchen Minen er seine Rohstoffe bezieht. Das ist ein gutes Beispiel für ein Unternehmen, das dazu gebracht werden soll, Verantwortung zu übernehmen. Der Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre organisiert sich jedes Jahr, um an der Hauptversammlung des Unternehmens kritische Fragen einzubringen und Missstände anzuprangern. Es geht darum, die offiziellen Stellungnahmen zu hinterfragen und Gegenstimmen einzubringen, gerade was Menschenrechts- und Umweltfragen angeht. In diesem Kontext stellen wir eine spezifische Peru-Expertise zur Verfügung, da es zentral ist, die Bergbau-Problematik nicht nur auf der Metaebene darzustellen, sondern mit konkreten Fallbeispielen. Unser Netzwerk in Peru liefert uns hier Informationen aus erster Hand, und diese können für Lobby- und Pressearbeit in Europa eingesetzt werden.

Informationsarbeit beim Rohstofftag in Vallendar

Bei Gesprächen mit Unternehmen, aber auch mit Politiker*innen ist es wichtig, zuverlässige Fachinformationen zur Hand zu haben. Das Ziel ist, bei Entscheidungsträger*innen und bei der Öffentlichkeit ein Bewusstsein zu schaffen, was im Rohstoffhandel falsch läuft. So arbeiten wir mit ganz verschiedenen Zielgruppen zusammen, auch mit Schulen, mit Lehrpersonen und Seminargruppen. Deshalb haben wir vor allem in den letzten zwei Jahren neue Materialien und Publikationen erarbeitet, mit aktualisierten Informationen und in neuen Formaten. Das sind eine Ausstellung zu Kupfer und zu Gold, der Kritischen Konsumführer Gold und der Leitfaden Gold.

Wie finanziert die Kampagne ihre Arbeit und die Erarbeitung solcher Produkte?

Für die erwähnten Materialien konnten wir zum Glück zusätzliche Fördermittel akquirieren, denn die Erarbeitung ist kosten- und arbeitsintensiv. Im Gegensatz dazu ist es sehr schwierig, Stellen finanziert zu bekommen, um personell aufzustocken. Das ist eine große Herausforderung, und unsere Arbeit wäre ohne das Engagement des ehrenamtlichen Koordinationsteams so nicht möglich. Die Koordinatorin hat eine Teilzeitstelle im Umfang von 12 Stunden pro Woche, der Rest ist Freiwilligenarbeit. Zurzeit besteht das ehrenamtliche Koordinationsteam aus drei Personen, die die Planung und Umsetzung aller Aktivitäten eng begleiten und auch maßgeblich an den Entscheidungsprozessen für die Weiterentwicklung der Kampagne beteiligt sind. Dahinter steckt sehr viel Kleinarbeit.

Das Problem ist, dass das Thema Rohstoffpolitik für manche Förderinstitutionen nicht attraktiv ist bzw. kritische Töne dazu in gewissen Kreisen nicht gern gehört werden. Daher sind wir in der Akquise von Personalmitteln bisher auf kirchliche Mittel angewiesen. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die deutsche Regierung daran glaubt, dass nachhaltiger Bergbau möglich ist und gefördert werden soll.

Und was denkt ihr?

Nachhaltiger Bergbau würde bedeuten, dass Mensch und Umwelt nicht geschadet wird oder dass bereits angerichtete Schäden wieder rückgängig gemacht werden können. Doch das ist nicht so. Selbst bei gutem Umweltmanagement und Prävention von Wasser- oder Bodenverschmutzung wird die Landschaft durch Bergbau-Minen unwiderruflich verändert.

Statt von nachhaltigem Bergbau sprechen wir von verantwortungsvollem Bergbau, der die Menschen vor Ort an Entscheidungsprozessen beteiligt: Wie groß wird das Projekt, wie wird es durchgeführt, welche Orte dürfen nicht angetastet werden, zum Beispiel Wasserquellen, und so weiter.

Dies ist ein Ideal, das uns vorschwebt und von dem wir glauben, dass es umsetzbar wäre. Denn natürlich sind auch wir so realistisch, den Bergbau nicht komplett abzulehnen. Obwohl das in gewissen Bereichen, zum Beispiel beim Goldabbau, tatsächlich möglich und wünschenswert wäre, da so viel Gold auf der Welt vorhanden ist, das recycelt werden könnte. Doch diese Haltung konsequent zu vertreten, wäre nicht wirklich produktiv für die Lobbyarbeit, da wir gegen mächtige Interessen ankämpfen – auch in Peru, weil am Bergbau viele Leute verdienen, nicht nur die Unternehmen selbst. Da wäre es vermessen, in einem reichen Land wie Deutschland zu sitzen und den Goldabbau komplett abzulehnen.

Was sind die größten Erfolgserlebnisse der letzten 20 Jahre?
Die neue Ausstellung beim Katholikentag in Erfurt 2024

Unsere greifbaren Produkte sind die Publikationen und die Ausstellungen, doch es ist nicht einfach zu messen, wie viel Impact diese tatsächlich bei den Menschen haben. Doch wenn wir darüber nachdenken, was vor 12 oder 13 Jahren in der Öffentlichkeit über die Problematik beim Kupfer- oder Goldabbau bekannt war, hat sich da inzwischen sehr viel Bewusstsein entwickelt. Und dies ist natürlich die Folge der Kampagnenarbeit aller kleinen und großen Gruppen und Organisationen, die zu diesem Thema arbeiten. So können wir sagen: Die Bewegung hat es geschafft, dass es da bei vielen Menschen Klick gemacht hat – und wir sind aktiver Teil dieser Bewegung. Wenn man bedenkt, dass wir heute in Deutschland und in der EU ein Lieferkettengesetz haben – das war damals, als unsere Kampagnenarbeit begann, noch undenkbar.

Was sind die aktuellen Herausforderungen der Kampagne?

Abgesehen von den erwähnten finanziellen Herausforderungen steht auch ein Generationenwechsel an. Zwei der ehrenamtlichen Mitarbeiter, die die Kampagne entscheidend mittragen, haben eine jahrzehntelange Expertise in der Bergbau-Thematik, eine Person wird zum Jahresende 2025 aus dem Koordinationsteam ausscheiden. Da ist natürlich die Frage, wie wir jüngere Menschen miteinbeziehen können, ohne dass dieses wertvolle Wissen verloren geht. Außerdem haben wir festgestellt, dass die Ansprüche an Mitarbeitende in NGOs immer komplexer werden – auch deshalb, weil wir in den letzten Jahren größer und professioneller geworden sind. Dazu kommt, dass sich die Zeiten ändern, zum Beispiel durch die Digitalisierung. Und das betrifft natürlich auch die Ehrenamtlichen, die da irgendwie mitkommen müssen, sei es beim Nutzen von digitalen Plattformen und Clouds oder beim Thema Datenschutz, Nutzung von Fotos und so weiter.

Welche Möglichkeiten zur Unterstützung und zur Mitarbeit gibt es?

Jeder und jede, der Interesse am Thema hat, ist herzlich willkommen, sich bei uns zu melden. Es ist sowohl ein regelmäßiges Engagement im Koordinationsteam möglich als auch punktuelle Mitarbeit bei konkreten Projekten oder Aktivitäten, etwa bei Ausstellungen oder Veranstaltungen.